Kleine Einführung in das ABC der Lauftaktik, oder wie gewinne ich?

Vor Dir liegt ein geplanter Wettkampf, auf den du gut hintrainiert hast und dir ambitionierte Ziele gesetzt hast. Du willst deinen inneren „Schweinehund“ besiegen, deinen Trainingspartner abhängen, eine schnelle Zeit laufen, eventuell eine Bestzeit, endlich mal die Altersklassenwertung gewinnen? Dann ist für dich die kleine Einführung in das taktische Repertoire genau richtig - auf dass deine gute Form sich dann auch in dem erhofften Wettkampfergebnis widerspiegelt, denn allein die gute Form reicht oft nicht zum Realisieren deines großen Zieles aus.
Zunächst sollte dir allerdings eines klar sein. Hier geht es um das erreichen des Zieles, als nicht immer um die sportlich „feinste“ Tour. Hier zählt nur das Ergebnis, Geschenke an Mitläufer gibt es nicht.
Das sollte nicht die Regel sein, aber ist bei Meisterschaften durchaus gängige Praxis. Kleiner Trost, es gibt ja noch genügend Läufe, wo man sich sportlich wie ein Gentleman verhalten kann.

Von der Gruppe abgehängt

Du hast dich in eine Gruppe von Läufern eingereiht und genau jetzt hast Du eine kleine Krise und musst die Gruppe laufen lassen? Zugegeben, eine ziemlich schwierige Situation, aber weder selten, noch unlösbar.
Hier sind neben psychischer Stärke (jetzt bloß nicht die Flinte nicht ins Korn werfen) auch Gelassenheit und innere Ruhe gefragt. Meist ist es sinnvoller, sich erst mal wieder zu sammeln, ein gleichmäßiges Tempo zu finden, um dann, ganz allmählich, unter Umständen auch über mehrere Kilometer hinweg, wieder den Versuch zu unternehmen, an die Gruppe heranzulaufen. Eventuell ergibt sich eine Möglichkeit, sich an einem überholenden festzubeißen und so an die Gruppe wieder herangeführt zu werden. Als Alternative bietet sich: Zurückfallenlassen in die nächste Gruppe an, um aus dieser heraus zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal einen Versuch zu unternehmen, möglich mit anderen Mitstreitern, in die von laufende Gruppe aufzuschließen. Fazit, die meisten Gruppen fallen irgendwann auseinander.

Der Angriff

Wenn Du dich gut fühlst, greife an - lautet eine der Faustregeln für ein erfolgreiches Wettkampfergebnis.
Dazu bietet sich die Möglichkeit den Angriff eher gesteigert zu laufen (Crescendo), oder urplötzlich, quasi aus dem Nichts heraus, die Gegner mit einem Überraschungsangriff zu distanzieren. Wichtig ist, dass der Angriff, einmal gesetzt, dann auch „durchgezogen" wird und konsequent versucht wird den erlangten Vorsprung auszubauen. Zweifel an der eigenen Leistungsfähigkeit sind dann fehl am Platz. überlege schon vor dem Rennen, wo Du bei entsprechender Rennsituation angreifen könntest, entscheide je nach Situation, ob Du den Angriff lieber „von der Spitze" ans lancieren (was schwieriger ist) oder aus dem Windschatten heraus mit einer Temposteigerung auf das Renngeschehen Einfluss nehmen willst. Versuche beim überholen ruhig ein wenig zu bluffen - wenn Du mit deutlich höherem Tempo am Gegner vorbeischießt, könnte das durchaus einen schockenden" Effekt haben.

Das Bummelrennen

Geht es Dir nur um den Sieg, oder den Platz und nicht um eine schnelle Endzeit und Du verfügst darüber hinaus über eine gute Spurtqualität, könnte für die taktische Variante des Bummelrennens effektiv sein. Eine Variante, die traditionell bei Meisterschaftsläufen angewandt wird und die eben durch das „Taktieren" im Gegensatz zum „auf Tempo laufen" charakterisiert ist. Du solltest dann versuchen, das Rennen möglichst langsam zu gestalten, und dich nicht oder nur sehr sporadisch an der Führungsarbeit beteiligen. Wichtig ist, dass du deine Kräfte schonst, um diese im Endspurt dann voll entfalten zu können. Versuche dabei den Augenblick zu spüren, wann die Post abgeht", und zu diesem Zeitpunkt an der optimalen Position im Feld zu laufen, um rechtzeitig auf einen gegnerischen Angriff reagieren zu können. Das erfordert allerdings einige Erfahrung, da du das Rennen „lesen“ können musst.

Das Fahrtspiel

Diese taktische Variante setzt eine gute Form voraus und fordert daneben ein Höchstmaß an Kampfgeist. Sie wird auch von vielen afrikanischen Läufern bevorzugt und ist typisch für Rennen, in denen es darum geht, vermeintlich stärkere Gegner durch unrhythmisches Laufen zu zermürben. Wahrend des Rennens greifst du immer wieder an, verschärfst plötzlich das Tempo und forderst so die Gegner heraus, diesem Tempodiktat zu folgen. Bleibt die Gegnerschaft dran, so nimmst Du nach wenigen hundert Metern das Tempo wieder raus und lauerst auf einen erneuten Tempovorstoß. Das kann sich sehr oft wiederholen. Wenn Du physisch und psychisch stark bist, kann es dir somit gelingen, die Gegner mit diesem Ziehharmonikasystem in jeder Hinsicht müde zu laufen. Die Hoffnung ist berechtigt, dass sich der andere irgendwann sagt: Jetzt reicht es mir, jetzt lass ihn halt laufen ..." - und weg bist du, da du dann natürlich das Tempo nicht wieder wegnimmst.

Der Frontläufer

Wichtig für dein taktisches Verhalten ist vorab die Klärung der Frage, bist überhaupt ein Frontläufertyp, oder versteckst du dich gerne in der Gruppe. Der Frontläufer sucht von Beginn an den Kontakt zur Spitze und beeinflusst - oft selbst in Führung laufend - das Renngeschehen aktiv mit. So hat er die Möglichkeit, auf die Geschwindigkeit des Feldes Einfluss zu nehmen und sein Tempo den Gegnern aufzuzwingen und jederzeit auf einen Vorstoß der Gegner optimal reagieren zu können. Manche Läufertypen brauchen diese Möglichkeiten, ein Rennen aktiv zu gestalten, um ihre Kräfte voll entfalten zu können. Gleichzeitig besieht aber die Gefahr, dass man als Frontläufer Windbrecher für die Gegner spielt und zu viele Kräfte in aufwendiger Führungsarbeit lässt, während sich die Konkurrenz im Windschatten bequem ausruht.

Laufen in der Gruppe

In der Anfangsphase eines Rennens ist es fast immer sinnvoll, sich eine harmonierende Gruppe zu suchen, in der in etwa das eigene Wunschtempo gelaufen wird. Oft helfen auch einige klärende Sätze mit den Mitläufern, um sich als gut funktionierende Gruppe im Rennen zu formieren. Das heißt insbesondere auch, dass man versucht, sich in der Führungsarbeit abzuwechseln, und gemeinsam das Ziel hat, das Tempo hoch zu halten. Nach einer relativ kurz zu haltenden Führungsphase kann man sich für eine Weile hinter den anderen Läufern verstecken und spart so nicht nur physisch Reserven sondern durch die Abgabe der „Tempoverantwortlichkeit" ist man auch psychisch entlastet. Im Idealfall entsteht eine „Leidensgemeinschaft", die sich gegenseitig bestärkt und die den ehrgeizigen Willen fördert, dass man auf gar keinen Fall aus dieser Gruppe ..herausfallen" möchte. Im Sog der anderen Läufer gelangt man oft zu schnellen Endzeiten.

Gleichmäßiges Renntempo

Bei einem gleichmäßigen Rennen schonst du am optimalsten deine Reserven und kannst dadurch am längsten ein hohes Tempo halten. Nutze hierbei neben deinem Tempogefühl auch die Möglichkeit, die Geschwindigkeit über den Kilometerschnitt zu überprüfen und vermeide vor allem ein zu forsches Angehen. Gerade beim Marathon ist es wichtig, sich derart in der ersten Rennhälfte zu disziplinieren. Hier hilft ein vor dem Rennen zurechtgelegter Marschplan, dessen Zwischenzeiten man sich zum Beispiel auf den Unterarm notieren kann. Tempogefühl zu entwickeln erfordert Erfahrung, am besten ist dies auf einer Laufbahn zu erlangen.

Rennen mit Endspurtentscheidung

Geht das Rennen in die Endphase und hat sich noch immer keine klare Situation herauskristallisiert, ist es wichtig, die Gegner genau zu beobachten. Vielleicht weiß man auch über den Kontrahenten, ob dieser besonders schnell sprinten kann oder eben nicht. Ähnlich wie beim Radrennen hat sich hier die Lauerposition bewährt. Man sollte unbedingt auf kräftezehrende Positionskämpfe verzichten. Wichtig ist es, im richtigen Augenblick den Endspurt anzuziehen. Wenn man sehr grundschnell ist, und diese Fähigkeit auch nach einem Langstreckenrennen noch mobilisieren kann, können schon 20-30 Meter genügen, um das Rennen zu entscheiden. Je langsamer man seine absolute Endgeschwindigkeit einschätzt, desto stärker ist man auf einen „langen Spurt" angewiesen.

Der Tempolauf

Diese taktische Variante ist zu wählen, wenn es dir um eine schnelle Endzeit gehen. Vom Start weg wird ohne langes Geplänkel das Tempo sehr hoch angeschlagen und damit die Gegner, die sich auf einen etwas ruhigeren Beginn eingestellt haben, geschockt. Beim Tempolauf musst du allerdings sehr selbstbewusst und dir deiner läuferischen Stärke sicher sein. Während du alleine vorneweg stürmst, sammelt sich hinter dir die Meute und versucht, in der Gruppe den Abstand zu verringern. Bis ins Ziel darfst du dir keine Schwächen erlauben - allerdings kannst du auch darauf hoffen, dass die Verfolger es irgendwann aufgeben werden, dir hinterherzujagen und sich dann auf Positionskämpfe um Platz zwei konzentrieren. Besonders günstig ist es, wenn es dir gelingt, auf einem winkligen Kurs außer Sichtweite zu geraten.

Der Zwischensprint

Läufst du schon einige Kilometer im immer gleichen Abstand hinter einer Gruppe her?
Dann ist vielleicht ein Zwischensprint sinnvoll, um den Anschluss wieder herzustellen. Allerdings: Dieser kostet enorm Kraft und muss im Folgenden vorsichtig kompensiert werden. Im offensiven Bereich angewandt zählen Zwischensprints zum Repertoire des fahrtspielartigen Rennverlaufs und verlangen ein sehr hohes Leistungsvermögen des Athleten.

Fazit

Mit diesem Repertoire sollte es dir gelingen deine Ergebnisse zu verbessern, sonst hilft nur eines.
Besser trainieren, um dann stärker zu sein, als die Gegner, die dich immer noch schlagen

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